Findige Lösung für die Energiewende

Medienkanäle in Deichen

Spätestens seit der Nuklearkatastrophe in Fukushima im Jahre 2011 zählt die Energiewende zu einem der größten Zukunftsprojekte Deutschlands. Ziel ist es weg von nuklearen und fossilen Brennstoffen und hin zu erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz zu kommen. Dass sich Deutschland bereits auf einem guten Weg dorthin befindet, zeigen Berechnungen des Energiekonzerns Eon. Demnach wurden bereits im ersten Halbjahr 2018 104 Milliarden Kilowattstunden Strom von Wind- und Solaranlagen sowie Wasserkraft- und Biomasseanlagen erzeugt. Der Löwenanteil des Ökostroms stammte dabei aus Windkraftanlagen an Land und auf See, die nach den Eon-Zahlen im ersten Halbjahr 2018 rund 55 Milliarden Kilowattstunden beisteuerten. Das Problem: Noch sind die deutschen Stromnetze nicht flächendeckend auf den Transport des Stroms aus erneuerbaren Energien ausgelegt.

Bisher müssen die Windkraftanlagen bei starker Produktion teilweise sogar abgeregelt werden. Laut dem Netzentwicklungsplan Strom 2013 wird deshalb in den nächsten 10 Jahren der Neubau von 1.700 km Drehstromleitungen und 2.100 km Hochspannungs-Gleichstromleitungen sowie die Netzverstärkung und -optimierung von 4.400 km des vorhandenen Netzes in Deutschland erforderlich werden. Die Leitungen sollen zum besseren Transport des vorwiegend im Norden produzierten Windstroms in den verbrauchsstarken Süden dienen. Die hierfür veranschlagten Kosten in Höhe von 21 Mrd. Euro wirken zwar hoch, sind jedoch in Relation zur Wirkungsdauer der Investitionen über 30 bis 40 Jahre eine handhabbare Summe. Sorgen bereiteten dagegen den Politikern die Akzeptanz der neuen Trassen in der Öffentlichkeit. 80 Meter hohe Masten möchte keiner in seiner Nähe haben. Viele Bürgerinitiativen fordern Erdkabel als landschaftsfreundliche Alternative. Diese sind jedoch teuer und die Verfahren zur Nutzung der oft in Privatbesitz befindlichen Grundstücke sind langwierig. Trotz großer Bemühungen und Aufklärungen der Netzbetreiber sind konkrete Umsetzungen eher die Ausnahme, bislang wurden nur erste Trassenverläufe in Korridoren grob abgesteckt. Eine Alternative bietet ein neues Konzept der Firma BERDING BETON GmbH zur Verlegung von Medienkanälen in Deichen.  

Das zum Patent angemeldete Bauverfahren beschreibt die Möglichkeit der Verlegung eines Rohres im Deich zum Durchleiten von Medien wie Strom, Gas, Wasser, Telekommunikation oder Abwasser. Dipl.-Ing. (FH) Jens Mönnich aus dem Hause BERDING BETON erläutert den Ansatz: „Wirft man einen Blick auf die Lage eingedeichter Flüsse in Deutschland, dann ist leicht zu erkennen, dass sich die geplanten Stromtrassen grob mit den Verläufen von Rhein, Ems, Weser und Elbe decken. Entlang dieser Hauptwasserstraßen ist eine Verbindung von der Küste in die Zentren sehr gut möglich. Deshalb haben wir uns die Frage gestellt, ob nicht eine Möglichkeit besteht, mit der langjährig bewährten Vortriebstechnik - also dem Verfahren zum grabenlosen Verlegen von Rohren - entlang der Flussläufe Rohre zu verlegen, die für die Stromdurchleitung genutzt werden können. Dabei kann der üblich anzutreffende Auelehm unter dem Deichkörper optimal für den Rohrvortrieb genutzt werden. Selbst wenn bei Engstellen durch den Deichkörper vorgepresst werden muss, kann von einen gut durchdringbaren und mehr oder weniger bekannten Sandkern ausgegangen werden. Negative Einflüsse auf den Vortrieb sind nicht zu erwarten, größere Objekte, schwer lösbare Böden oder gar unerwartete, wasserführende Schichten sind nahezu ausgeschlossen“, so Mönnich.

Funktionsweise
Und so funktioniert es: Mit Hilfe von Stahlbetonrohren DN 1200 bis DN 3600 wird eine begehbare Rohrleitung gebaut, die alle 200m mit einer zurückbaubaren Baugrube in beide Richtungen vorgetrieben wird. Alle 400m entsteht ein Wartungs- und Einstiegsschacht. Teilweise konnten schon radial verlaufende Vortriebsstrecken bis zu 800m von Schacht zu Schacht vorgetrieben werden. Da die Leitung belüftet werden muss, soweit sie denn begangen werden soll, wird in größeren Abständen ein Lüftungsschacht gesetzt. 

Vortrieb
Empfohlen wird ein Baugrubenverbau als ausgesteifter Spundwandkasten in wasserdichter Ausführung, je nach Grundwasserstand mit Unterwasserbetonsohle, dimensioniert gegen Auftrieb und mit offener Wasserhaltung. Der Vortrieb erfolgt mittels einer Schildmaschine mit Vollschnittabbau (Bauart SM-V).

Rohre und Bauwerke
Empfohlen werden Stahlbetonrohre nach FBS-Qualitätsrichtlinien und den einschlägigen Regelungen der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) sowie den Regelungen für Stahlbeton-Vortriebsrohe des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs e.V. (DVGW). Die Ausführung der Bauwerke erfolgt als Stahlbetonbauwerke in gewohnt sicherer WU-Beton Qualität.

Vorteile
Vor allem in Punkto Genehmigung könnte das Verfahren besondere Vorteile bieten: Hierzu Jens Mönnich: „Über dem mittleren Hochwasser und landseitig gehört der Deich hoheitlich den Ländern. Die Verlegung einer Rohrleitung ist nach allen Landesbauordnungen genehmigungsfrei. Solange unter dem Deich vorgetrieben wird, bedarf es also keiner Genehmigung. Auch das Durchleiten von Wasser, Gas, Strom und Telekommunikation ist genehmigungsfrei, das Durchleiten von Windenergie bedarf allerdings einer Planfeststellung.“

Ein weiterer Vorteil des Verfahrens könnte in der Möglichkeit bestehen, die Kabel mit dem Flusswasser kühlen zu können. Die Durchleitungsverluste aufgrund der Wärmeentwicklung der Hochspannungsleitungen und der damit verbundenen erhöhten Reibungsverluste dürften gegenüber einer Erdverlegung dann deutlich geringer ausfallen. Auch das Problem erhitzter Kabel, die den Boden austrocknen und so der Landwirtschaft schaden, wäre damit ausgeräumt. 

Kosten
Wie sieht es aber mit den Kosten aus? Einer Kostenschätzung des Ingenieurbüros Wendt aus Düsseldorf im Auftrag der Firma BERDING BETON zu Folge, ist der Rohrvortrieb in Deichen mit rund 2.300,- € pro Meter (bei einem Rohrdurchmesser DN 1200) zwar teurer als eine Überlandleitung (1.000,- €/ Meter*) aber deutlich günstiger als eine Erdkabelverlegung (4.000-16.000,- €/ Meter*). 
* Angaben des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz Transmission GmbH

„Maßgeblich ist aber, dass die Leitungen bei Anwendung dieses Verfahrens deutlich schneller fertig sein können als bei Erd- oder Überlandverlegung“, ergänzt Jens Mönnich. „Nach der Planfeststellung kann der Ausbau im Grunde sofort erfolgen. Soweit nur das Rohr verlegt werden soll, kann es jetzt sofort losgehen. Allein hierdurch dürften sich die Mehrkosten aus einer eventuell längerer Strecke und höheren Baukosten schnell gegen den zeitweilig nicht durchleitbaren Windstrom der Offshore – Anlagen gegenrechnen“, so Mönnich.

Rechtliche Beurteilung
Wie sieht es aber mit der wasser- und baurechtlichen Zulässigkeit einer solchen Bauweise aus? Hierzu ließ die Firma BERDING BETON vom Institut für Wasserbau an der Technischen Universität Hamburg das aktuelle Wasserrecht auf den verschiedenen Ebenen (EU, Bund, Länder) sowie die aktuellen DIN Normen insbesondere zum Hochwasserschutz im Hinblick auf die grundsätzliche Möglichkeit, Vortriebsrohre in Deiche einzubauen, analysieren. Jens Mönnich fasst die Ergebnisse zusammen: „Falls in den Deichkörper eingegriffen werden muss ist grundsätzlich der Einbau von Vortriebsrohren in Deichkörpern sowie auch der Einbau bzw. der erforderliche Rückbau von Vortriebsstationen in den gesetzlichen Regelungen nicht abschließend geregelt. Diese Tatsache darf allerdings nicht als Verbot angesehen werden, sondern bislang ist die neue Lösung zu den Medienkanälen in den geltenden gesetzlichen und technischen Regelungen schlicht nicht vorgesehen. Sofern in Wassergesetzen auf Durchleitungen eingegangen wird, erfolgt dies im Wesentlichen mit Bezug zum Durchleiten von Wasser- und Abwasser quer zum Deich“, so Mönnich.

Für die Nutzung von Deichen zur Einbringung von Vortriebsrohren muss somit ein Einvernehmen mit den jeweils zuständigen Behörden gefunden werden. Ist die rechtliche Basis aber erst einmal geschaffen, so ist das neue Verfahren sicher eine sehr gute Lösung, um die Energiewende in Deutschland voranzubringen. 
 

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