2. Erfahrungen der Netzbetreiber

2.1 Umfang der Befragung

Zur Ermittlung der Einsatzrandbedingungen von Hochleistungs-Stahlbetonrohren wurde durch das Institut für Siedlungswasserwirtschaft der RWTH Aachen eine Befragung von Kommunen im Niederrhein, Ruhrgebiet und im Bergischen Land durchgeführt. Die Befragung erfolgte entweder durch persönliche Interviews oder mit Hilfe eines Fragebogens, der von den Netzbetreibern auszufüllen war. Bei den Netzbetreibern wurden sowohl privatwirtschaftlich als auch öffentlich-rechtlich organisierte Betriebe berücksichtigt.
Die Charakteristika der Einzugsgebiete der befragten Netzbetreiber schließen flache und mittelsteile Entwässerungssysteme ein, die überwiegend im Mischsystem entwässern. Drei der Entwässerungssysteme aus dem Teilnehmerkreis bestehen überwiegend aus Trennkanalisationen vor (siehe Tabelle).
Bei allen befragten Netzbetreibern werden Kanalinspektionen nach Anforderungen der SüwV Kan [6] durchgeführt, so dass seit Ende 2005 Inspektionsergebnisse für das gesamte Netz vorliegen. Die Lage des Untersuchungsgebietes ist im westlichen Bereicht Nordrhein-Westfalens.

 UntersuchungsgebietDeutschland 1)
 LängeAnteilLängeAnteil
Mischwasserkanäle4 108 km64 %238 186 km45 %
Regenwasserkanäle1 082 km17 %170 722 km33 %
Schmutzwasserkanäle1 212 km19 %106 030 km21 %
Summe6 403 km100 %514 935 km100 %

1) Zahlen von 2004, [5]
Tabelle: Entwässerungssysteme in den befragten Kommunen nach Kanalart

 

2.2 Qualitätsanforderungen der Netzbetreiber

Der Einsatz von Hochleistungs-Stahlbetonrohren, der mit einem gewissen finanziellen Mehraufwand verbunden ist, geht bei den befragten Netzbetreibern einher mit einem hohen Qualitätsbewusstsein bei Bauausführung und Rohrverlegung. Der Ausgangspunkt für die Einführung neuer Qualitätsanforderungen, die überwiegend Ende der 1980er bis Mitte der 1990er etabliert wurden, aber auch heute weiterhin eingeführt werden, ist dabei je nach Einzugsgebietsbeschaffenheit sehr unterschiedlich. So ist zum einen die Abwasserbeschaffenheit ein Grund, erweiterte Anforderungen zu formulieren, wenn korrosive Abwässer (unter Berücksichtigung der Abwassersatzungen sowie gesetzlicher oder normativer Anforderungen) aus der Chemie-, Textil- oder Lebensmittelindustrie in die Entwässerungssysteme abgeführt werden. Lange Transportsammler oder Einleitungen aus Teilsystemen, die über Druckleitungen entwässern, führen in Folge biogener Schwefelsäurekorrosion zu einer höheren Gefährdung der Netzbereiche, die mit herkömmlichen Betonrohren erstellt worden sind. Zum anderen werden bei Planung der Anschlüsse von Neubaugebieten oder von Erneuerungen die Vorteile berücksichtigt, die sich aus einer höheren Passgenauigkeit und leichter zu verlegenden Rohrsystemen ergeben.
Zu letztgenannten Vorteilen gehören eine beobachtete geringere Fehlerrate bei der Bauausführung, eine geringere Versagenswahrscheinlichkeit der Rohrverbindungen (Muffen, Hausanschlüsse) sowie ein erwarteter andauernder Werterhalt. Zu den Problemen, denen an den Hausanschlussstellen durch den Einsatz von geeigneten Abwasserrohrsystemen begegnet werden kann, zählen Undichtigkeiten und Fraß an den Rändern der Bohrung. Durch den Einsatz von speziellen Systemen, wie z. B. HQStB, wird durch die Anwendung der Anschlussstutzen eine unsachgemäße Erstellung des Zugangs unterbunden, soweit die vorgegebenen Toleranzen eingehalten werden.

 

2.3 Erfahrungen aus Planung und Bau

Basis für den wirtschaftlichen Einsatz dieser hochwertigen Rohre ist eine genaue Problemanalyse, die zu einer zielgerichteten Anwendung führt. Dadurch werden ungerechtfertigt höhere Kosten vermieden sowie in Verbindung mit einem entsprechenden Qualitätsmanagement lange Nutzungsdauern ermöglicht.
Als Einsatzbereiche im Misch- und im Trennsystem sind zunächst Sammler, Hauptsammler- und Transportsammler sowie Stauraumkanäle und Regenrückhaltekanäle zu erkennen, die sich alle durch große Nennweiten auszeichnen. Aber auch bei geringeren Durchmessern werden zunehmend HQStB-Rohre eingesetzt. Als Beispiele für weitere Einsatzbereiche wurden bei den Befragungen Erneuerungen von Rohrsträngen zur dauerhaften Fremdwasserreduzierung, Netzbereiche, die besonders tief liegen, und solche Bereiche, in denen die Bauausführungen nur unter besonders schwierigen Voraussetzungen durchgeführt werden können, genannt. Bei letzteren wurde der Einsatz von Hochleistungsbeton-Vortriebsrohren hervorgehoben, bei dem bereits Strecken über 1.100 m realisiert wurden.
Bei der hydraulischen Dimensionierung der Rohre werden die günstigeren Rauheitswerte von in der Form erhärteten Bild 2.2: Abschätzung der kalkulatorischen Nutzungsdauer für HQStB-Rohre aus der Befragung Rohren meist nicht berücksichtigt. Daher ergeben sich dort zusätzliche Sicherheitsreserven gegen Überstau, die ohne eine nähere Untersuchung aber nicht quantifiziert werden können.
Abhängig von der Größe des Entwässerungsbetriebs ist bei der Planung und der Entwicklung von Systemen die Unterstützung der Rohrhersteller notwendig. Besonders hervorgehoben wird deren Bereitschaft, auf die individuellen Wünsche und Anregungen aus der Praxis einzugehen sowie diese bei der Weiterentwicklung der Produktlinien zu berücksichtigen.

 

2.4 Qualitätssicherung bei der Durchführung von Baumaßnahmen

Einen wesentlichen Bestandteil zum Erreichen langer Nutzungsdauern bilden nach Angabe aller Befragten eine sorgfältige Prüfung und Inspektion während der Bauphase, bei der Abnahme und während der nachfolgenden Betriebszeit. Die Eigenund Fremdüberwachung des Rohrherstellers bzw. der Bauunternehmung z. B. mit FBS-Zertifizierung, Zertifizierung gemäß DIN EN ISO 9001:2000 sind zwingend notwendig und sind unbedingt durch Kontrollen des Auftraggebers zu ergänzen [4]. So inspizieren alle Befragten während des Einbaus die Güte der Materialien und die Qualität der Verlegung. Die Abnahme nach VOB wird ergänzt durch Dichtheitsprüfungen der Rohre, der Muffen und zunehmend auch der Schächte. Mit dem Einsatz von HQStB-Rohren sind bei den durchgeführten Maßnahmen der Befragten bis auf sehr wenige, leicht reparierbare Undichtigkeiten an den Muffen keine Fehler festgestellt worden. Diese minimale Fehlerhäufigkeit wird auf die hervorragende Passgenauigkeit und Verarbeitung der Rohre zurückgeführt, die sich auch in einer geringen Häufigkeit von Rissen niederschlägt. Hervorgehoben wurde die Möglichkeit zum vermehrten Einsatz von Fertigteillösungen, die, insbesondere wenn sie monolithisch ausgeführt werden, die Dichtigkeit der Kanäle und die Qualität der Bauausführung deutlich verbessern. Des Weiteren werden bei den meisten der befragten Netzbetreiber, die Beton- oder Stahlbetonrohre verwenden, Rohre mit Fuß bzw. Betonbettung verlegt, um Auswirkungen etwaiger Fehler bei Herstellung der Bettung zu verringern.

 

2.5 Nutzungsdauer und Kostenbetrachtungen

Aus den Inspektionsergebnissen können die Betreiber noch keine besonderen Erkenntnisse zu längeren technischen Nutzungsdauern ableiten, da die weiterführenden Qualitätsanforderungen erst vor etwa 15 Jahren eingeführt wurden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die mit dem Einsatz innovativer Rohrmaterialien verbundenen Verbesserungen beim Bau und der Bauausführung auch zu längeren technischen Nutzungsdauern führen werden. Der Anteil der Materialkosten an den Gesamtbaukosten ist unter Berücksichtigung der Einsatzbereiche der HQStB-Rohre erwartungsgemäß höher als bei sofort ausgeschalten Maschinenrohren. Mehrheitlich wurde er mit mehr als 17 % angegeben. Die technische Nutzungsdauer schätzen die Anwender auf 80 oder mehr Jahre. In vielen Fällen wird allerdings kalkulatorisch eine andere Nutzungsdauer angesetzt. Dies wird mit wechselnden politischen Randbedingungen, der Stabilisierung der Abwassergebühr oder mit den sich verändernden städtischen Entwicklungen begründet. Diese kalkulatorische Nutzungsdauer variiert demnach zwischen 60 und 90 Jahren. Ein Großteil der Befragten gibt eine kalkulatorische Nutzungsdauer von 60 Jahren an. Langfristige Kostenschätzungen führen besonders bei Baumaßnahmen in größeren Tiefenlagen, bei Verlegung von Großrohren oder bei erschwerten Randbedingungen zur Anwendung erhöhter Qualitätsanforderungen, da die für eine Sanierung zu veranschlagenden Kosten häufig weit mehr als das Doppelte des Neupreises betragen.